Hengststation Ihlienworth

Im Jahr 1735 begründete König Georg II. von Hannover das Niedersächsische Landgestüt Celle. Der Zweck dieser Einrichtung bestand „in der Erhaltung einer guten Pferdezucht“. Vor allem sollte der Pferdebedarf der Kavallerie allmählich aus Beständen im eigenen Land gedeckt werden, damit das dafür investierte Geld im Land blieb. Dazu wurden überall im Königreich Hengststationen eingerichtet, die mit Hengsten aus Celle beschickt wurden. Zuchtziel war damals die Erzeugung eines kräftigen, großen und starken Pferdes. Um 1800 konnten rund 100 Hengste auf etwa 50 Deckstationen verschickt werden. Vor Einführung der Eisenbahn erreichten sie die ihnen zugewiesenen Orte in bis zu fünf Tagesmärschen.  
Nachdem 1824 eine Hengststation in Altenbruch eingerichtet wurde, folgte 1868 eine in Ihlienworth. Sie wurde durchschnittlich mit fünf Hengsten besetzt. Mit der Station sollte auch im Hadelner Sietland eine hochwertige Hannoveraner Pferdezucht etabliert werden. Seit 1868 arbeiteten dort elf Deckstellenleiter.
Schaut man in die Deckregister, ist der Hengst „Diskant“ zwar nicht derjenige, der in Ihlienworth die meisten Bedeckungen hatte. Den züchterischen Ruhm der hiesigen Hengststation hat er aber entscheidend mitbegründet. Von 1961 bis 1972 war er hier stationiert. Als berühmte Nachfahren beweisen sein Sohn „Deister“ und sein Urenkel „Donnerhall“, welchen Einfluss die Ihlienworther Deckstelle auf die Hannoveraner Zucht hatte.

„Deister“ wurde 1971 beim Züchter Hahl in Osterbruch geboren. Da er sich nicht als Dressurpferd eignete, gelangte er 1976 in den Stall vom Spring-Weltmeister Hartwig Steenken, der ihn zum Springpferd ausbildete. Nach Steenkens Tod kam „Deister“ zu Paul Schockemöhle. Mit ihm ersprang „Deister“ bis 1989 eine Gewinnsumme von über 1,4 Millionen DM. Er wurde dreimal Europameister, gewann 33 Nationenpreise und errang fünf Deutsche Meisterschaften sowie WM-Silber mit der deutschen Springmannschaft und Bronze bei Olympischen Spielen. Den Kopf des unvergessenen „Deister“ finden wir als Bronzebüste vor dem Osterbrucher Gemeindehaus.

„Donnerhall“ kam 1981 in Schleswig-Holstein zur Welt und wurde dort zum Dressurpferd ausgebildet. Mit seiner Reiterin Karin Rehbein wurde er mit der Dressurmannschaft Welt- und Europameister. In der Einzel-Dressur erreichte er dritte Plätze bei Welt- und Europameisterschaften und wurde 1994 Deutscher Meister. Er war im Dressursport und insbesondere in der Zucht ein Ausnahmepferd. Zu seinen erfolgreichsten Nachkommen zählen zahlreiche Olympia- und Weltmeisterschaftsteilnehmer. So stammten allein bei den Olympischen Spielen 2012 alle Pferde der deutschen Dressurmannschaft von ihm ab. In der Oldenburger Fußgängerzone finden wir den Hengst „Donnerhall“ in Bronze wieder.

Auch heute werden noch viele erfolgreiche Pferde auf der Deckstation in Ihlienworth gezeugt. Nach wie vor nimmt die Zuchtberatung einen wichtigen Teil des Tages-geschäftes ein. Neben den täglichen Besamungen liegt ebenso die Organisation von Stutenleistungsprüfungen, Freispringtraining sowie Nachzuchtpräsentationen in der Verantwortung des Deckstellenteams. Zum selbstverständlichen Aufgabengebiet des Deckstellenleiters gehört außerdem die Unterstützung bei der Vermarktung der Zuchtpferde sowie natürlich auch das Kaffeekochen für das nächste Züchtergespräch, denn der Erfahrungsaustausch darf nie zu kurz kommen.